Time to say good bye
Es ist tatsächlich in greifbarer Nähe: unser Abschied von Per, unserem Vermieter, der uns ein guter Freund geworden ist und von der Insel Pulau Weh. Uns bleiben nur noch zwei Tage, dann müssen wir wieder Richtung Banda Aceh zurückkehren. Bis dahin wollen wir es schaffen, die verbleibenden Sehenswürdigkeiten der Insel zu erkunden.
Alltag an der Andamansee
Nach so vielen Tagen an einem Ort, ist schon beinahe Alltag eingekehrt. Die Kinder kennen ihre Umgebung, die Personen um uns herum und sind deshalb entspannt. Wir haben Restaurants und Lieblingsplätze gefunden, an denen wir uns gerne aufhalten. Unser Roller bringt uns zuverlässig und entspannt an diese Orte. Trotzdem haben wir noch nicht alles auf der Insel erkundet, ein paar Highlights haben wir uns bis zum Schluss aufgehoben. So gibt es auf Pulau Weh einen aktiven Schwefel-Vulkan und einen Aussichtspunkt inklusive Schwalbenhöhle. Beides wollen wir uns in den letzten zwei Tagen anschauen.
Was ist schon normal?
Am heutigen Mittwoch entscheiden wir uns dafür, die einstündige Fahrt zum Vulkan auf uns zu nehmen. Unser Weg führt uns einmal quer über die Insel: durch kleine Dörfer, vorbei am naturgeschützten Dschungel und über wundervolle Küstenstraßen mit Traumaussicht.
Talika fährt ganz vorne mit, grüßt entgegenkommende Motorrollerfahrer*innen freundlich und alle freuen sich darüber. Ich habe die Worte eines Freundes im Kopf, der nach dem Lesen unseres Blogs meinte: „Ihr seid doch verrückt – mit den Kindern auf einem Motorroller“. Noch vor ein paar Wochen hatte ich das auch gesagt (hier kannst du unser erstes Abenteuer auf einem Motorroller nochmal nachlesen). Doch je länger ich darüber nachdenke, fällt mir auf, dass es doch nur als verrückt gelten würde, wenn wir die Einzigen wären, die das so machen. Aber tatsächlich sind hier alle Familien auf einem Roller unterwegs und somit sind wir nicht verrückt, sondern haben uns nur die örtlichen Gegebenheiten angepasst. Verrückt fühlt es sich jetzt gar nicht mehr an, sondern schön und frei.
Hier brodelt es mächtig
Holger war bereits auf seiner Reise vor 16 Jahren am „Vulcano Jaboi“ und weiß, was auf uns zukommt. Talika hat noch etwas Angst, da sie einen Vulkan als etwas Bedrohliches kennt, der ausbrechen kann und dann tötlich ist. Holger beteuert zwar, dass es kein klassischer Vulkan-Berg mit Krater und Magma ist, aber kindliche Fantasie hat ihre eigenen Spielregeln.
Um den Vulkan herum wurde mittlerweile ein betonierter Weg gebaut und das komplette Areal ist für Touristen gut beschildert. Glücklicherweise sind wir heute aber die einzigen Besucher.
Talika im Schilderwald If you wanna know something about the vulcano Voll ausgebauter Waldweg zum Vulkan Willkommen auf einem anderen Planeten
Wir müssen ein paar hundert Meter laufen und schon steigt uns der typische faule-Eier-Geruch von Schwefel in die Nase. Vor uns liegt weiß-graues Gestein, es gibt plötzlich kaum Vegetation und an einigen Stellen steigen Dampfkegel in die Luft. Es ist hier richtig surreal: die paar Bäume, die es gibt, haben allesamt braun verfärbtes Holz – wohl eine Folge der schwefeligen Dämpfe. Wahrlich, so hatte ich mir den Vulkan Jaboi nicht vorgestellt.
Wir können die ersten blubbernden Wasserlöcher entdecken und finden wunderschöne, gelb-glitzernde Schwefelkristalle. Unter den Steinen gibt es also unverkennbar thermale Aktivität. Talika hat eine Schwäche für Steine und Kristalle und so sind ihre Taschen rasch voller „Pups-Ei“-Kristalle. Gut, dass keiner von uns einen empfindlichen Magen hat. Im Gegenteil, denn bei uns macht sich Hunger breit und wir beschließen in einem kleinen Hain Richtung Hauptvulkanhügel ein Picknick zu machen.
Frisch gestärkt wollen wir nun den Blubber-Vulkan erklimmen. Doch schon nach ein paar Metern merke ich, dass der Fels immer heißer wird. Ich trage Barfußsandalen, die sich durch extrem dünne Sohlen auszeichnen und so die Hitze des Steins schnell durchlassen. Das das heute nicht das beste Schuhwerk ist, wird mir nun klar. Aber ein bisschen halte ich es aus.
Wir erreichen die erste brodelnde Schlammpfütze, die durch grell-gelbe Kristalle eingefasst in dem kargen, weißen Felsen liegen. Ich bin fasziniert von diesem unwirklichen Ort und auch Talika hat ihre Angst überwunden und möchte Jaboi weiter entdecken. Ich beschließe also mit Isaiah zurück zum Hain zu gehen, da der kleine Mann sich jetzt endlich ein bisschen frei bewegen möchte, während Holger und Talika weiter den Vulkan erkunden.
Je höher wir steigen, desto heißer wird es an den Füßen Die beiden Forscher erkunden den Vulkan weiter… … erreichen das „Gipfelkreuz“… … und entdecken wunderschöne Strukturen … … und massig Schwefel
Isaiah ist glücklich, jetzt aus der Babytrage zu können und beginnt die Umgebung zu untersuchen. Besonders das seltsam gezeichnete Totholz, dass in der Nähe des Vulkans ist, hat es ihm angetan und wir spielen eine ganze Weile zusammen. Wir sitzen etwas erhöht und so kann ich gut einen langen Riss quer durch den Vulkanberg erkennen, in dessen Ritze das Wasser und der Dampf an die Oberfläche kommen können. Sicher ist er durch ein Erdbeben entstanden.
Eine halbe Stunde später kommen auch Talika und Holger zurück. Sie waren noch Forscher und haben sich bis auf den höchsten Punkt des Vulkans getraut, um Gesteinsproben zu nehmen und eine heiße Quelle zu untersuchen. Schließlich mussten sie aber umkehren, da ihnen der Proviant ausgegangen ist. Zurück an unserem Basislager stärken wir uns nochmal mit Wasser und Erdnüssen. Und schließlich kommen wir tatsächlich noch dazu, unser erstes selbstauslöser-Foto der Reise zu machen.
Danach können die Kinder noch ein bisschen weiter spielen, denn sie haben die große Wurzel, auf der wir eben saßen, für sich entdeckt. Das Holz ist durch den Schwefel des Vulkans seltsam weiß-braun und hat eine besondere Struktur. Allerdings interessiert die Kinder viel eher, dass man die knochigen Wurzeln gut als Kochstelle fantasieren kann, in der nun angeregt gerührt und gestochert wird.
Doch so langsam müssen wir wieder los fahren, denn wir haben einen weiten Weg vor uns. Gleich hinter dem Vulkan sehen wir dann noch eine mächtige Baustelle. Per erzählt uns später, dass der gesamte Strom der Insel bald über die Thermalenergie des Vulkans gewonnen wird. Deshalb werden auch dicke Leitungen verlegt und ein Kraftwerk gebaut. Wir sind begeistert davon, dass diese „grüne“ Energie genutzt werden soll.
Auf dem Weg zurück halten wir dann aber doch noch einmal kurz, denn die Aussicht von der Küstenstraße ist einfach atemberaubend schön.
Den heutigen Nachmittag verbringen wir dann natürlich wieder an unserem Strand, wohl wissend, dass wir bald Abschied nehmen müssen. Aber heute planschen, schnorcheln, bauen und schwimmen wir nochmal nach Herzenslust.
Unser letzter Tag auf der Insel
Der Morgen beginnt für mich ziemlich früh. Isaiah wacht bereits um sechs Uhr auf, er muss wohl wissen, dass etwas im Busch ist. Damit die Anderen weiterschlafen können, geh ich mit Isaiah in der Trage an den Strand und laufe mit ihm hin und her, bis er wieder eingeschlafen ist. Dabei erlebe ich einen atemberaubend schönen Sonnenaufgang, was meine Wehmut wachsen lässt.
Morgenstund hat Gold im Mund
Nach dem Frühstück gehts dann wieder zum Strand. Heute wollen wir ganz gemütlich beim Bungalow bleiben und erst am Nachmittag einen Ausflug machen.
Zu unserer Freude hat Per`s Frau heute morgen eine Sirsak geerntet. Sie gehört zu unseren Lieblingsfrüchten in Asien und besticht durch einen sauer-süßen Geschmack, der sich auch gut zum Shakes machen eignet.
Nach Isaiah´s Mittagsschlaf machen wir dann schonmal das Erinnerungsfoto mit Per und seiner Tochter Sarah, da die Kleine morgen Vormittag nicht da ist. Jetzt ist die Abfahrt so richtig greifbar.
Dort, wo die Schwalben leben
Eine letzte Sehenswürdigkeit haben wir aber noch offen. Wir wollen auf die andere Seite der Insel fahren, um einen Aussichtspunkt zu besuchen. Außerdem gibt es dort eine Schwalbenhöhle und das zu sehen interessiert uns alle sehr.
Hier in Gua Sarang (übersetzt: Schwalbennesthöhle) ist alles auf den Inlandstourismus eingestellt. Es gibt eine Aussichtsplattform auf einem hohen Hügel und eine, die in eine Baumkrone gebaut ist. Um schöne Urlaubsfotos machen zu können, wurden sogar Schaukeln aufgehangen. Wenn man sich sehr viel Mühe gibt, kann man es so aussehen lassen, als würde man direkt über dem Meer schaukeln.
Da Isaiah heute sehr lange Mittagsschlaf gemacht hat, sind wir recht spät dran und müssen uns beeilen, um alles anschauen zu können. Schließlich wird es hier um sechs Uhr bereits dunkel.
Über eine lange und steile Betontreppe gehen wir den Berg hinab, um zu den Vögeln zu gelangen. Am Rand entdecken wir riesige Blätter, die prähistorisch wirken und auch Isaiah beeindrucken.
Am Fuß des Berges suchen wir leider vergeblich einen Wegweiser, den wir lesen können und auch das Restaurant, dass hier steht, ist geschlossen und keiner kann uns Auskunft geben. Es gibt einen kleinen Pfad nach rechts und einen nach links und wir haben keine Ahnung, welcher der richtige ist. Kurzerhand entschließt sich Holger dazu, die gesamten Treppen nochmal hoch zu gehen und nach den Weg zu fragen, denn so langsam rennt uns die Zeit davon. Talika nutzt Holgers Aufstieg wieder zum Schaukeln, Isaiah für einen Snack und etwas Bewegung.
Beim Schaukeln fliegt die Seele
Zehn Minuten später klettern wir auf dem linken Weg über rundgelutschte Steine, die das Meer bei hoher Flut verschluckt. Das Baby ist bei mir in der Trage und ist bei so viel Geruckel natürlich wieder eingeschlafen. Die Sonne steht bereits ziemlich tief, taucht die Umgebung in ein warm-rotes Licht. Wir klettern an der Küste, ohne zu wissen, wie weit die Höhle noch entfernt ist. Es ist ziemlich anstrengend, sich einen guten Weg über die Steine zu suchen und zum Teil müssen wir auch über Felsabbrüche kraxeln. Talika und Holger lieben es zu klettern und genießen das Abenteuer. Ich muss mich mächtig konzentrieren, schließlich trage ich Isaiah und kann mir ein Ausrutschen nicht leisten.
Eine halbe Stunde lang suchen wir die Höhle, klettern über Geröll und halten Ausschau. Schließlich finden wir das potentielle Schwalben-Nest, allerdings können wir nicht hin, da das Wasser uns den Weg versperrt. So langsam werde ich auch nervös, da wir den gesamten Weg wieder zurück klettern müssen. Wir entschließen uns also, die Schwalben besser unerforscht zu lassen und wieder zum Motorroller zu gehen. Bei diesem Abenteuer gilt für uns definitiv die Devise: Der Weg ist das Ziel. Und dieser Weg war wirklich aufregend, sportlich und wunderschön.
In der Abenddämmerung fahren wir ein letztes Mal quer über die Insel und es herrscht eine andächtige Stille auf dem gesamten Weg. Ich merke, dass nicht nur ich mich innerlich von der Insel verabschiede, sondern dass auch Holger und Talika sich gerade bewusst machen, dass dies unsere letzte Motorrollerfahrt auf der Insel sein wird und wir bereits morgen wieder aufbrechen müssen.
Aber heute Abend wollen wir noch einmal richtig schlemmen und so fahren wir direkt an den Iboh-Beach zu unserem Lieblingsrestaurant „DeeDee`s“. Wir bestellen unsere Lieblingsgerichte und für jeden einen Shake (auch Isaiah bekommt einen eigenen) und für Holger natürlich einen Kaffee.
Als unsere Bäuche gut gefüllt sind, schauen wir noch ein bisschen auf das Meer und den Mond, bevor wir wieder zum Bungalow müssen. Schließlich steht heute Abend noch Einpack-Tetris auf unserem Plan und die Kinder werden müde.
Wenn ich so einen besonderen Ort verlassen muss, weil es Zeit ist, weiter zu reisen, dann bin ich immer sehr zwiespältig. Natürlich werde ich die Natur, das Meer und Per vermissen und das stimmt mich traurig. Andererseits freue ich mich auch auf unseren Besuch im Dschungel, bei Dieky und auf die neuen Abenteuer. Mir kommt ein Kinderlied in den Kopf, dass Talika gerne hört. Dort heißt es: „Abschied heißt was Neues kommt, denn irgendwo gibts ein Hallo“ – und ich glaube, dass das eine gute Einstellung für unsere kommende Zeit auf Sumatra ist.
Nach dem wir zusammengepackt haben, was wir packen konnten, sitzen Holger und ich noch eine Weile am Meer. Wir essen noch ein paar Früchte, schlürfen einen viel zu süßen, indonesischen Kaffe und lassen die Inselzeit Revue passieren. Ich bin mir sicher, dass ich hier nicht zum letzten Mal gewesen bin.
Selamat tinggal!
Am nächsten Morgen kümmere ich mich um die Kinder, während Holger all unsere Sachen in die Rucksäcke zwängt. Mittlerweile haben wir so einige Mitbringsel und Souveniers, die untergebracht werden wollen.
Unser Schiff legt erst 14:30 Uhr vom Hafen ab, so dass wir uns für den langsameren Transport mit dem TukTuk entscheiden, da das einfach die schönste Art des Reisens für uns ist. Punkt zwölf ist es da, wir verladen unser Gepäck und verabschieden uns herzlich von Per, den Apollo Bungalows und „unserem“ Long-Beach.
Auf dem Weg sehen wir noch zwei Einheimische, die sich ein Tandem-Motorrad aus alten Teilen gebastelt haben. Allerdings schnauft, stinkt und raucht es ganz schön. Alle paar Minuten muss der Hintermann Öl nachspritzen – ganz so ausgereift, scheint das Gefährt also nich nicht zu sein. In Deutschland – TÜV sei Dank – ist das nicht möglich. Aber es ist lustig anzusehen und auf jeden Fall kreativ gebaut.
Angekommen am Pier, müssen wir noch eine kleine Ewigkeit im viel zu warmen Aufenthaltsraum auf unsere Abfahrt warten. Es gibt im Moment nur einen Ausweich-Terminal, denn der Hafen wird gerade neu gebaut. Die Kinder machen wie immer großartig mit, aber vor uns liegen noch zwei anstrengende und lange Reisetage.
Zurück in der Stadt
Nach unserer kurzen Überfahrt nach Banda Aceh müssen wir noch eine Nacht in unserem alten Hotel schlafen. Erinnerungen an Isaiahs Masern-Erkrankung und die Angst um ihn kommen in mir hoch (hier kannst du die Geschichte zu Isaiahs Masern nochmal nachlesen). Außerdem drückt sofort die Enge der Stadt auf unsere Stimmung. Aber morgen geht es bereits sehr früh wieder los – dieses Mal mit dem Flugzeug. Nach der kräftezehrenden Nachtbusfahrt mit zwei kranken Kindern hatten wir uns gleich einen Flug gebucht. Deshalb dauert morgen die Rückreise nach Medan auch nur eine Stunde.
In Banda Aceh checken wir erstmal ins Hotel ein, um dann wieder Essen und Vorräte für die Reise zu besorgen. Außerdem kaufen wir noch einen Kilo Pfeffer, da der hier wunderbar scharf und vollmundig ist und Kardamonblüten, die man für eine gute Nudelsuppe braucht.
Unseren Abend verbringen wir hauptsächlich mit Gepäckoptimierung. Dank unserer Freundin Kati aus Deutschland, hat eine kleine Gepäckwaage Einzug in unsere Rucksäcke gefunden, die wir heute wieder bestens gebrauchen können, um alles flugzeuggenormt verpacken zu können.
Wir gehen früh zu Bett, denn schon um sieben Uhr müssen wir mit dem Taxi zum Flughafen fahren. Noch am selben Nachmittag wollen wir dann von Medan weiter nach Bukid Lawang reisen. Schließlich ist am darauffolgenden Tag Talikas Geburtstag. Wir sind bereits mit Dieky via Handy in Kontakt, um ihren großen Tag zu organisieren und sind gespannt, ob alles glatt gehen wird. Schließlich ist es ein wirklich langer Ritt durchs Land und wir wissen, dass Medan eine anstrengende Stadt ist. Aber wir freuen uns sehr darauf, Dieky und ein paar andere Freunde wieder zu sehen. Ausserdem wollen wir Elefanten waschen und Orang Uthans im Dschungel sehen.
Die Aufregung, auf das Neue bei der Weiterreise, ist bei mir wieder entflammt. Hoffentlich stehen wir die Anfahrt diesmal alle gesund durch und kommen gut im naturgeschützten Dschungel von Bukid Lawang an.